In Zeiten wie diesen: Trügerischer Schein

 

Welche Glocken können nicht läuten? Die Osterglocken!

Dieses Rätsel ist allerdings nur dann lösbar, wenn man die Umgangssprache beherrscht und sich gleichzeitig auch in der Pflanzenwelt auskennt.

Denn während unsere nördlichen Nachbarn die Narzisse als Osterglocke bezeichnen, denken wir dabei an die Küchenschelle.

 

Verkehrte Welt, kann man da nur sagen, aber es sei drum!

Denn beide gehören zu beliebten Frühlingsbegleitern, die sowohl verwildert in freier Natur als auch als Zuchtform im Gärten anzutreffen sind.

 

In diesem Beitrag möchte ich den Focus auf die Narzisse legen.

Damit es mir die Küchenschelle aber nicht übel nimmt, hat sie morgen ihren Auftritt. Ich verspreche es!

 

Der Name Narzisse wird in der griechischen Mythologie mit dem schönen Jüngling Narzissos, dem Sohn des Flussgottes Kephisos und der Wassernymphe Liriope in Verbindung gebracht.

Ein Orakel über seinen frühen Tod veranlasst die Mutter, ihren Sohn wohlbehütet groß zu ziehen und von jeglicher Gefahr abzuschotten.

 

Aber es kommt, wie es kommen muss!

Als sich die schöne Nymphe Echo unsterblich in Narzissos verliebt, wird sie von ihm verschmäht.

Krank vor Liebe beginnt sie dahinzusiechen, bis am Ende nur mehr ihre Stimme übrigbleibt.

 

Der Fluch lässt nicht lange auf sich warten.

Als Narzissos nämlich sein Spiegelbild an der Oberfläche des Wassers entdeckt, verliebt er sich unsterblich in sich selbst und geht infolge der unerwiderten Liebe kläglich zugrunde.

Nur die Götter zeigen sich in Anbetracht seines Schicksals gnädig und lassen dort, wo er gestanden hat, eine Narzisse sprießen.

 

Vielleicht hat die Narzisse es auch dieser Geschichte zu verdanken, dass sie im antiken Griechenland zum Symbol der Dichter und Bräute mutierte?

Seitdem erfreuen auch wir uns der zarten, nach Hyazinthen duftenden Dichternarzissen. Leider beginnt sie in meinem Garten schon langsam zu verblühen, wie auf dem Bild ersichtlich ist.

 

Für das Volk aus dem Reich in der Mitte sind Narzissen das Inbegriff des Glücks und dürfen deshalb bei keinem chinesischen Neujahrsfest fehlen.

 

Besonders die „100köpfige Wasserfee“ trägt eine Menge von diesem Glück in sich.

Dazu werden Narzissenzwiebeln fachmännisch eingeschnitten und in einer Zehnergruppe in Schalen gepflanzt.

Wem das Glück nun wirklich hold ist, den beehrt es mit einem einzigen Blütenmeer, nachdem sich aus jeder Schnittstelle der Zwiebel ein neuer Blattstiel entwickelt hat.

 

In der alten Volksmedizin wurden Narzissen aufgrund ihres hautreizenden Giftes als Gegenmittel bei Flechten und Geschwüren, später auch bei Keuchhusten und bei Übelkeit eingesetzt.

Doch der Schein der, ach so unschuldig wirkenden Blume trügt, denn von deren Einnahme ist nach dem heutigen Wissensstand dringend abzuraten.

Erbrechen, Schweißausbrüche, Lähmungen oder sogar eine tödliche Vergiftung können die Folge sein.

Dies gilt übrigens auch für Haustiere, vornehmlich für Hunde, wo  bereits 15g der frischen Zwiebel zum Tod führen.

 

Das Wort „Narzisse“ wird vom griechischen „narkein“ (betäuben) abgeleitet und bildet den Wortstamm für „Narkose“.

Das giftige Alkaloid, Galantamin, wirkt sich nicht nur ungünstig auf Tier und Mensch aus. Auch Blumensträuße mit unterschiedlichen Blumen leiden darunter und verkürzt deren Lebensdauer in der Vase.

Deshalb sollten Narzissen vorher allein für mehrere Stunden eingefrischt werden.

 

Ein Wort noch zur Narzissenpflege im Garten.

 

Gemeinsam mit Tulpen, Krokussen, Winterlingen, Blausternchen, Hyazinthen, Schneeglöckchen... werden Narzissen im Spätherbst gesteckt.

Dabei sollte das Pflanzloch maximal 2mal so hoch wie die Zwiebel sein.

 

Nach dem Verblühen der Narzisse wird der Blütenstand entfernt.

Mit dem Entfernen der Blätter muss man sich allerdings noch in Geduld üben.

Denn diese dienen der Speicherung neuer Pflanzenkraft in der Zwiebel und kommen erst weg, wenn sie vergilbt sind und sich von selbst lösen. Um mehr Ornung im Beet zu haben, kann man sie zu Zöpfen flechten.

 

Und worin liegt der Grund, dass Narzissenhorste nicht mehr blühen?

Alte Stöcke, die zu viele Nebenzwiebel gebildet haben, werden blühfaul und müssen unbedingt auseinandergesetzt werden.

Außerdem empfiehlt es sich, Narzissen während oder nach der Blüte zu düngen.

Wo Pflanzen schon viele Jahre an derselben Stelle stehen, könnte es sein, dass sie im Laufe der Zeit zugehäufelt wurden und die Zwiebeln somit zu tief steht.

 

Wer den Platz mit abgeblühten Narzissen andersweitig nutzen möchte, der kann sie ausgraben, in einer Kiste locker ausbreiten und hell aufstellen, bis die Blätter eingetrocknet sind.

Dann die Zwiebeln mit Zeitung dunkel abdecken und im Herbst neu auspflanzen, damit die Osterglocke wieder rechtzeitig den Frühling einläuten kann!

lg md sm xs