In Zeiten wie diesen: Geistreich

 

Pünktlich zu Pfingsten sind sie aufgeblüht, meine romantisch verspielten Pfingstrosen.

 

Ja, Pfingsten ist ein ganz besonderes Fest und erinnert mich an meine eigene Firmung, die schon Jahrzehnte zurückliegt. Mit meiner kindlichen Vorstellungskraft malte ich mir dabei aus, wie der Heilige Geist in Form einer Taube oder einer Feuerzunge über meinen Kopf kreisen und mich erleuchten würde.

 

Ob das dann auch so geschah, lass ich andere beurteilen!

 

Tatsache ist, dass wir in unserem Leben immer wieder vor Situationen stehen, wo wir nicht mehr weiterwissen, wo wir unschlüssig oder traurig sind, wo wir keinen Ausweg sehen, wo wir glauben, von "allen guten Geistern“ verlassen zu sein.

 

Dann bleibt uns nur, ein Stoßgebet zum Himmel zu schicken und darauf zu vertrauen, dass uns baldmöglich "ein Licht aufgeht".

 

Aus der Botschaft von Pfingsten entnehmen wir, dass auch die Jünger Jesu von einem Gefühl der Mutlosigkeit und Verlassenheit geplagt wurden.

In ihrer größten Not brachte der Geist Gottes Lichtzeichen über sie und erfüllte sie mit tiefer Einsicht und neuer Zuversicht.

 

 

Als begnadeter Prediger, Geschichtenerzähler und Maler gehört Reinhold Stecher zu jenen modernen Jüngern, die durch theologischen Tiefgang, einer lebendigen Bildsprache und der nötigen Prise Humor beeindrucken.

Der 2013 verstorbene Tiroler Bischof  war meines Erachtens ganz besonders vom Heiligen Geist beseelt.

Er gehörte zu den wenigen, die Rethorik mit Herzensbildung zu verbinden verstanden, so dass seine Texte bei den Menschen auch nach seinem Tod noch dort ankommen, wo sie sollen, nämlich mitten im Herzen.

 

 

Eine besonders berührende und zu Pfingsten passende Geschichte erzählt von seiner Einladung zur Spendung des Firmsakramentes in einem Heim für Schwerstbehinderte.

Der zuständige Kaplan beschwört ihn dabei im Vorfeld, die Predigt so kurz wie möglich zu halten und keinesfalls länger als 3 Minuten zu sprechen.

 

Bischof Stechers gedankliche Auseinandsetzung mit diesem Auftrag, möchte ich nun wortgetreu wiedergeben!

 

… Und das wurde nun meine längste und meine kürzeste Predigt zugleich.

Die längste in der Vorbereitung und die kürzeste in der Aussage.

Es trifft mich oft zum Predigen und Sprechen, vor allem in Domen und gefüllten Sälen, vor Bäuerinnen und Universitätsprofessoren, vor frommen Schwestern und kritischen Jugendlichen.

Aber diesmal war`s zum Verzweifeln.

Drei Minuten! Diese armen Menschen vor mir und die Eltern…

 

Und dann war es so weit!

 

Statt der Predigt habe ich einfach gesagt:

„Liebe Kinder, die Mama und der Papa und die Geschwister und die Tanten haben euch lieb. Sie streicheln euch über den Kopf und über die Wangen, wie ich es jetzt bei euch mache. Und bei der heiligen Firmung, da mache ich euch ein Kreuzel auf die Stirn und dann wisst ihr, dass euch der Liebe Gott streichelt, weil er euch so lieb hat.“

 

Und wie ich dann zur Firmung hinuntergehe, komme ich zu einem Buben, den die Mutter mühsam in den Armen hält, um die fahrigen Bewegungen des Spastikers einigermaßen im Griff zu haben.

Und wie ich das Kreuz mit dem heiligen Öl auf die Stirn machen will, verzerrt sich sein Gesichtchen und gurgelt mühsam hervor:

Scht-reicheln..“

 

Und aus dem Mundwinkel des Buben rinnt ein wenig Speichel auf seinen Festanzug.

Die Mutter nimmt das Taschentuch und wischt ihn ab und dann nimmt sie es noch einmal, um ihre Tränen abzuwischen.

 

Kein Predigtecho und kein tosender Beifall in einer Kongresshalle haben mich je so gefreut wie dieses Wörtchchen „Schtreicheln“ des Schwerbehinderten.

 

Zu Ende seiner Ausführung stellt Reinhold Stecher dann eine ganz simple und doch so tiefgründige Frage:

 

Sind wir bereit, andere zu streicheln und uns selber streicheln zu lassen?

 

Die Antwort darauf kann uns niemand abnehmen. Die muss jeder für sich alleine finden!

Dabei ist es tröstlich zu wissen: als Suchende und Fragende dürfen wir auf die Kraft des Heiligen Geistes vertrauen!

 

lg md sm xs