In Zeiten wie diesen: Eisige Zeiten
Zeiten wie diese konfrontieren uns mit allerhand Grenzerfahrungen, die wir vorher so gar nicht kannten.
Vieles empfinden wir dabei als beängstigend, lästig und unangenehm.
Anderes hingegen nehmen wir gelassen oder erleben es sogar als befreiend.
Eines ist sicher: plötzlich scheint so manches einfacher zu sein, weil sich manche Fragen gar nicht stellen.
Der Entscheidungsdruck bezüglich der immensen Vielzahl an Freizeitangeboten zum Beispiel, er ist derzeit hinfällig, weil der Radius unserer Mobilität nach wie vor eingeschränkt ist.
Unseres seelischen Gleichgewichtes willen, tun wir gut daran, auch in der Phase 2 den Aufruf des französischen Philosophen Rousseau "Zurück zur Natur"nicht außer acht zu lassen.
Oder den Vorschlag des Dichterfürsten Goethe, der da meint:
Willst du immer weiterschweifen?
Sieh, das Gute liegt so nah.
Lerne nur das Glück ergreifen,
denn das Glück ist immer da.
Die äußerst weitsichtigen und klugen Gedanken der beiden Herren habe ich mir heute zu Herzen genommen und bin per pedes zu den Eppaner Eislöchern gewandert.
Die unbeschreiblich schöne Natur- und Kulturlandschaft bietet so viel Abwechslung, dass man sich davon nicht genug sattsehen kann.
Der in Maigrün getauchte Buschwald unterhalb des Gandberges verblüfft mit einer Vegetation, die normalerweise nicht zur typischen Flora des Überetsches gehört und derzeit einen noch eher winterlichen Dornröschenschlaf zu absolvieren scheint.
Es ist interessant zu beobachten, wie sich die kälteresistenten Pflanzen an der Basis des Kessels angesiedelt haben, während jene wärmebedürftigeren sich am oberen Rande tummeln.
Das seltene Naturphänomen der Eislöcher erklärt sich mit dem physikalischen Prinzip einer Windröhre.
Dabei stömt die Luft durch ein Spaltensystem zwischen den Porphyrblöcken des Bergsturzes der Gand von oben nach unten und kühlt sich dabei ab.
Diese bleibt dann in Form eines Kaltluftsees von etwa fünf Metern Höhe in der Mulde liegen, so dass man bis spät in den Frühling hinein mancherorts noch Eis entdecken kann.
Wer mit Kindern die Eislöcher genießen möchte, sollte auf gutes Schuhwerk, eine Jacke, eine Jause und vor allem auf reichlich Zeit achten.
Denn nirgends lässt es sich besser spielen und lernen als in diesem Klassenzimmer der Natur!
Eine Sage rund um den Felssturz unterhalb des Gandberges gehört natürlich dazu, auch wenn sie noch so schaurig klingt!
Folgendes soll sich dabei zugetragen haben:
Nördlich vom Dorf Oberplanitzing stand in grauer Vorzeit eine schöne Stadt.
Sie war so groß, dass ein Wanderer von einem Tor bis zum gegenüberliegenden eine halbe Stunde zu gehen hatte.
Die Bewohner dieser Stadt waren nicht nur reich, sondern vor allem stolz und übermütig.
Einmal, es war gerade Fasnacht, ersannen sie ein schauriges Spiel. Sie holten einen Ochsen aus dem Stall und zogen ihm bei lebendigem Leib die Haut ab.
Dann begannen sie das gequälte und überall blutende Tier mit Salz einzureiben. Der arme Ochse brüllte so fürchterlich, dass sich der Himmel seiner erbarmte.
Denn augenblicklich fing es zu blitzen und zu donnern an und kurz darauf stürzte das Wasser von allen Berghängen in die Tiefe.
Dabei wurde der benachbarte Berg so gründlich unterspült, daß er auf die Stadt niederstürzte und dieselbe mit Mann und Haus unter den Felstrümmern begrub.
Seit dieser Zeit hatte es kein Mensch mehr gewagt, sich in der Gand anzusiedeln.
Lange, lange Zeit später ließ ein Hirte, der bei einem benachbarten Bauern "im Dienst" war, seine Ziegen zwischen den Felsbrocken der steinernen Stadt weiden.
Jeden Abend, als er am Feierabend nach Hause zurückkehrte, war er stockbesoffen und konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten.
Der Bauer wunderte sich, wie der junge Mann zu dem Wein kam, aber so sehr er ihn auch befragte, erhielt er keine befriedigende Antwort.
Da beschloss der Bauer, seinem Knecht heimlich zu folgen. Er sah, wie dieser in einem Eisloch verschwand.
Der Bauer stieg also auch ins Loch hinunter, durchquerte einen langen Gang und gelangte schließlich in einen großen, gewölbten Raum.
Zu seinem Erstaunen lagerten dort viele Fässer mit edlem Wein, die aus einem der Weinkeller der versunkenen Stadt stammen mussten.
Wer weiß, ob nicht vielleicht ein weiterer Keller oder zumindest ein Fläschchen irgendwo vergraben liegt?
Ein Prosit dem glücklichen Finder!